Von grünen und anderen Mützen

September 2017

Schaukasten mit Schülermützen im Haus am Domplatz

Erinnerungen an eine bedeutsame Tradition an den Höheren Schulen in Merseburg von 1881 bis 1937

2016 ehrte die Stadt Merseburg den Schriftsteller und Kulturpolitiker Siegfried Berger auf vielfältige Weise, jährte sich doch in diesem Jahr sein Geburtstag zum 125. Mal und sein Todestag lag 70 Jahre zurück. In diese Ehrungen war unser Gymnasium auf besondere Weise einbezogen, da Siegfried Berger ein Domgymnasiast war und genau in dem Gebäude 1911 sein Abitur ablegte, das nun das Haus am Domplatz des heutigen Domgymnasiums ist.

Unser Förderverein nutzte das Jubiläumsjahr, um einen lang gehegten Plan in die Realität umzusetzen.

Siegfried Berger hat in seinen Jugenderinnerungen dem Domgymnasium, das er von 1905 an besuchte, ein eindrucksvolles literarisches Denkmal gesetzt, aber vor allem gibt es ein Gedicht „Alle Neune“, in dem er humorvoll die Befindlichkeiten der Schüler in den jeweiligen Klassenstufen am Gymnasium beschreibt und gleichzeitig erklärt, welche Farben der Schülermützen in den einzelnen Klassenstufen getragen wurden.

Der Titel „Alle Neune“ bezieht sich auf die Schuljahre, die absolviert werden mussten, aber Siegfried Berger beschreibt nur sieben unterschiedliche Farben der Schülermützen. Dies liegt daran, dass es offensichtlich in jener Zeit, in der er das Gymnasium besuchte, nur eine Farbe für Unter- und Obertertia sowie für Unter- und Oberprima genutzt wurde.

Da unser Verein insgesamt sechzehn solcher historischen Mützen besitzt, war es schon länger geplant, einen großen Teil davon auch angemessen zu repräsentieren und den Zusammenhang mit dem Gedicht Bergers zu veranschaulichen.

Im Herbst 2016 war es dann soweit. Mit Hilfe einer projektbezogenen Spende der Saalesparkasse fand eine passgenau angefertigte Schauvitrine ihren Platz im Haus am Domplatz. Dort kann man nun sieben Mützen bestaunen, die farblich so angeordnet sind, wie es das Gedicht Siegfrieds Bergers vorgibt, das sich neben den Mützen in der Vitrine befindet.

Aus welchen Jahren unsere Schülermützen konkret stammen und an welcher der Höheren Schulen sie getragen wurden, können wir nicht nachvollziehen. In den Besitz des Fördervereins gelangten sie vor allem als Geschenke ehemaliger Schüler und sechs der Mützen haben eine besonders ungewöhnliche Geschichte: Sie sind die Gabe einer ehemaligen Schülerin des Lyzeums in Merseburg, das sich im Gebäude des heutigen Hauses Dürerstraße des Domgymnasiums befand. Diese Schülerin floh 1944 vor den Bombenangriffen auf Merseburg nach Berlin und heiratete dort später einen britischen Offizier, mit dem sie schließlich in Manchester lebte – und mit ihr sechs Schülermützen aus Merseburg. Anlässlich eines Besuchs in ihrer Heimatstadt entstand Kontakt zum Domgymnasium und deshalb konnte sich der Förderverein schließlich über die großzügige Überlassung der Mützen freuen, denn erst seitdem besitzt der Verein Mützen in all den Farben, die in dem Gedicht Bergers genannt werden.

Bei der Einrichtung der Vitrine beschäftigte uns aber auch die Frage, in welchem Zeitraum überhaupt Schülermützen an den Höheren Schulen Merseburgs, insbesondere natürlich am Domgymnasium, getragen wurden. Uns war zunächst nur das Jahr bekannt, in dem dieser Tradition durch die Nationalsozialisten ein Ende gesetzt wurde, nämlich 1937.

Unsere Vorstandsmitglieder Otto Lüthgarth und Adolf Armbrüster untersuchen hingebungsvoll die Geschichte der Höheren Schulen in Merseburg und sichten und sortieren unermüdlich Materialien aus unterschiedlichsten Quellen. Und da gelang es ihnen, jetzt im August 2017, die Kopie eines Schriftstücks zu finden, das unsere Frage nach dem Beginn des Tragens von Schülermützen beantwortet. Außerdem veranschaulicht der als Schülererinnerung bezeichnete Artikel „Die grüne Mütze“ aus dem Merseburger Tageblatt vom 27.06.1925, wodurch diese Tradition ihren Anfang nahm. Zwei Domgymnasiasten wollten mit den auffälligen Mützen lediglich ihre persönliche Freundschaft demonstrieren. Daraus entwickelte sich trotz des „lebhaften Mißfallen[s]“ des Rektors in Windeseile ein allgemeiner Brauch, der nicht mehr aufzuhalten war und sich schließlich an allen Höheren Schulen durchsetzte.

Da das Gedicht von Siegfried Berger ebenfalls 1925 entstanden ist und er es allen ehemaligen Domgymnasiasten widmet, drängt sich die Vermutung auf, dass er vielleicht durch jene Schülererinnerung aus der Zeitung zum Schreiben des Gedichts angeregt wurde.

Auch in unserer Vitrine befindet sich eine grüne Mütze, allerdings ist sie dort, wie es dem Gedichtstext zu entnehmen ist, der Untersekunda zugeordnet, während  in dem Artikel beschrieben wird, dass es Obersekundaner waren, die den bis dahin üblichen Stroh- bzw. Filzhut mit einer samtgrünen Mütze tauschten. Ein solches originales Prachtstück aus der Anfangszeit ist unsere Mütze also sicher nicht, dennoch sind wir als Verein sehr froh, dass wir diese Erinnerungsstücke besitzen und sie nun sowohl im Haus Dürerstraße als auch im Haus am Domplatz wirkungsvoll präsentieren können.

Juliane Blauth                                                              

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